30 Dezember 2011

Jahreswechsel

Auf dem Weg zum Getränkemarkt in der Ungererstrasse liegt der Nordfriedhof Münchens. Meine Fahrt führt mich an Übertragungswagen des Bayrischen Rundfunks vorbei: Johannes Hesters hat mit 108 Jahren seine letzte Ruhe. Fans begleiten sein Begräbnis. Was liegt näher zum Jahreswechsel als Gedanken zum Leben? Und Tod!

Die wenigen Wohnmobile, die in Einsiedl im Schnee stehen, haben Lärm und Getriebe von Stadt und Straße hinter sich gelassen. Kein Laut, kein Vogel, kein Auto. Manchmal streichelt sanft fallender Schnee das Dach. Noch macht meine liebe Frau einige wenige Versuche, mich aus meiner Ruhe zu bringen. Dann verzieht sie sich sich endlich ins Bett. Gedanken reisen durch die Nacht und tröpfeln als schwarze Buchstaben auf den Bildschirm.



Wir übernachten in Einsiedl am 30. 12. 2011. Das ist mein Lieblingsplatz in der Nähe von München.

Szenen- und Themenwechsel: Derzeit rüsten die USA die Golf-Staaten Saudi-Arabien und Bahrein auf. Dort residieren im Wertesystem von Schröder ebenso lupenreine Demokraten wie in Moskau. Der verblödete Urnenpöbel macht sich keine Sorgen, solange genug Erdöl und Erdgas unsere einzigartige Industrieproduktion aufrecht halten. Schließlich müssen Menschen in Europa, sofern sie keine prekären Penner sind, ihre einzigartigen Bedürfnisse befriedigen. Prekären Pennern reicht die Volksdroge Alkohol selbst in übelster Mischung wie als Weihnachtsmarkt-Glühwein.



Der schlüpfrige, schnee- und eisglatte Weg am See von Einsiedl zu Walchensee führt an den Ur-Rindern in Zwergern vorbei. Die fünf Kilometer verlangen uns bei Schneetreiben viel ab.

So geduldig wie die Ur-Rindviechern am Walchensee sind keine konsumverwöhnten Westeuropäer. Wenn Strom ausfällt, ist zappenduster. Also hat schon Carter vor 30 Jahren die Doktrin aufgestellt: "Die Seestraße von Hormus gehört zu unserem nationalen Interessenbereich. Wir haben diesen Seeweg mit allen Mitteln offen zu halten, auch mit militärischen." Als Verbraucher haben wir volles Verständnis dafür, dass unsere Interessen dort und anderswo auch militärisch vertreten und verteidigt werden. Schließlich wollen wir unsere 3,5 Tonnen schwere Wohnung auf Rädern durch den Schnee noch zum Allrad-LKW-Treffen nach Wallgau bewegen. Ohne zwei mit elf Kilogramm gefüllten Gasflaschen würden wir uns auch nicht in die Kälte zum Wintercamping wagen.



Nur schemenhaft erhebt sich der Herzogstand über dem See und dem Ort gleichen Namens, über Walchensee.

Die Freude unserer Winterreise im wohlig warmen Gefährt verdanken wir unserer unermüdlichen Arbeit, um unserr einzigartigen Bedürfnisse zu befriedigen. So müssen wir nicht daheim vor dem Bildschirm als Couch-Kartoffel vegetieren, sondern fühlen uns befreit vom Stress der Stadt und wandern auf eisglatten Wegen zwecks höherer Stress-Resistenz. Während des Berufslebens jagten uns Arbeitnehmer ständig Kollegen und Chefs. Nach 20 Jahren, acht Monaten und 12 Tagen hat meine Arbeit ihr Ende gefunden. Jetzt ist nur noch die liebe Partnerin hinter mir her. Erschwerend kommt hinzu: Immer näher macht sich Gevatter Tod daran, seine kräftigen knochigen Finger nach meinem mürben und ermüdenden Lebensleib auszustrecken. Doch noch erreichen wir Ziele wie das Allrad-LKW-Treffen in Wallgau. Soziale Kompetenz und Kontakte üben wir an der Feuertonne, die wir mit mitgebrachtem Holz füttern.



Vom 100.000 Euro teuren Fernreise-Mobil bis zur 40 Jahre alten Hanomag-Behelfs-Behausung mit holzbefeuertem Kanonenofen treffen sich die Drive-o-Holics im Wallgau zum Neujahrsplausch.

Kleine Schlucke Rotwein sollten mich dazu befähigen, der sozialen Runde am Feuerfaß einige bewundernde Bemerkungen und anerkennende Aufmerksamkeit zu schenken. Denn die Abenteuer dieser Russland-, Afrika-, Asien-, Australien- und Amerika-Fahrer sind eindrucksvoll, beachtlich - eben die einzigartigen Bedürfnisse, welche unsere Gesellschaft so erhaben entwickeln und weiter bringen - zumindest Kilometer-mäßig.

Genug meiner kultur-kritelnden Krakelei! Die Feuertonne wartet, um mich besser in mir fremde Sozialgefüge einzupassen. Vermutlich in meinem fortgeschrittenen Alter eine vergebliche Liebesmühe.

Unsere "Waschmaschine", der "Kühlschrank" kam nur mit Hilfe von vier schiebenden Männern aus dem Matsch!

Die echten Allrad-LKW-Kapitäne sehen fahrende "Weißware" nur als "Kühlschrank" oder "Waschmaschinen" an.

Der Blick am Neujahrsmorgen zeigte uns das "Blaue Wunder" von Klaus und einen Hanomag mit Kanonenrohrofen, der bald 50 Jahre auf dem Buckel hat.

Auch mit einem alten Ofen und einem Wasserkanister kommt man im Hanomag über den Winter.

Dieser Hanomag mit Anhänger erblickte 1963 das Grau der Straße. Sein Fahrer war der Erste Helfer, der uns aus der Schneepatsche stemmte.

Frei nach Bert Brecht: "Nur wer im Wohlstand lebt, lebt angenehm."

Der Allrad-LKW-Kapitän begrüßt noch etwas verschlafen den ersten Tag des Neuen Jahres 2012.

29 Dezember 2011

Urlaub in Franken

Lesen reflektiert die Außenwelt im Innern. Schreiben spiegelt die Innenwelt dem Außen.

Der "Weiße Wal" ist unser rollendes Heim. In unserem Wohnmobil schwankt leicht der Boden, wenn wir uns darin bewegen. Der Hersteller Seitz hat in sechs Metern Länge, zwei Metern Breite und drei Metern Höhe bescheiden doch beschaulich alles eingebaut: Den Eingangsbereich, Küche mit Tisch, alternativ Schreibtisch, Naßzelle mit Toilette und Waschbecken, Kühlschrank und Bett. Diese Wohnung gleicht einer Puppenstube unter einem Zeltdach. Schon wenige leichte Regentropfen klingen melodisch auf der Fahrzeug-Decke, welche uns mit etwa drei Millimetern Glasfaser verstärktem Kunststoff und drei Zentimetern Isolierschaum von der unwirtlichen Winterwelt trennt.

Urlaub in Franken ist nun die Sorte Stress, welche wir uns freiwillig suchen. Neben den Treffen mit den Freunden und Verwandten meiner Frau holen wir für den Weihnachtsmarkt 2012 schon neue Schlitten-Schiebelehnen bei einem fränkischen Schlitten-Hersteller. In den letzten warmen Wintern konnte er kaum seine Produktion verkaufen. Also hat sich das Werk auch darauf spezialisiert, individuelle "Erotik-Möbel" zu produzieren. Wir können uns diese Möbel nur vorstellen. Vermutlich produziert das Werk eben solche Sitz- oder Liegegeräte, wie Kunden es sich wünschen. Als weitere Spezialität renovieren, reparieren und bauen die Menschen in dieser kleinen Fabrik Kutschen.

Die Mitarbeiter haben Betriebsferien zwischen Weihnachten und Neujahr. Nur der Chef schafft mit einer Sekretärin und einem Mann Ordnung im Laden. Im Aufenthaltsraum der Belegschaft ist das Waschbecker verstopft, welches ein hagerer, älterer Arbeiter gekonnt und geschwind wieder frei macht. Der Chef berät zwei Kunden, welche eine alte Landauer-Kutsche gebracht haben. Hinter dem Kutschbock schwingt die Fahrgastzelle in schweren Blattfedern. Auf der Tür dazu prangt die Jahreszahl: 1894. Zwei oder vier Pferde ziehen dies hochherrschaftliche Gefährt über Stock und Stein. Dieses Schmuckstück fachkundig zu renovieren, verursacht schnell Kosten eines Mittelklassewagens.

Auf dem Weihnachtsmarkt hat meine Frau einer begeisterten Kundin einen Schlitten mit Schiebelehne verkauft. Sie wollte noch einen weiteren und hinterließ dazu ihre Visitenkarte. Da Stephanie alle Schiebelehnen verkauft hatte, liefern wir nun ihr einen Schlitten mit Schiebelehnen frei Haus. Die Dame glänzte an der Weihnachtsmarkthütte mit herrschaftlichem Auftreten. Doch als wir das Anwesen in einer verlassenen Gegend in Franken endlich gefunden haben, treffen wir auf einen Schweinezüchter in einem ärmlichen Hof. Die Ausdünstungen der Tiere belästigen unsere Geruchsnerven. Zwischen Tür und Angel wickeln wir das kleine Geschäft ab, das unsere Spritkosten deckt.

Immerhin haben uns diese Fahrten wie Besorgungen soweit ermüdet, dass wir eine ruhige Nacht am Straßenrand in Bamberg verbringen dürfen. Gerade baut Bamberg den bislang bescheidenen Wohnmobilstellplatz am Heinrichsdamm soweit aus, dass dort die Schiffe der Landstraßen auch Strom tanken und die Kapitäne ihre Exkremente entsorgen können.

Zur Nachtruhe verhalf uns dazu noch der trübe Rauchbiergenuss im Gasthaus Schlenkerla, einem putzigen Fachwerkhaus aus dem Mittelalter. Ein weiteres begehrtes Szenelokal in Bamberg, der Pelikan, hatte schon keinen Platz mehr für uns. Wieso sich dieses Lokal zur frühen Abendzeit an einem Werktag so schnell füllt, bleibt uns ein Rätsel. Das Gasthaus Schlenkerla hingegen hat an seinen schweren Holztischen immerhin noch Platz für zwei, aber für viel mehr Menschen auch nicht. Dass Rentner und Touristen abends Muß und Moneten genug haben, sich im Wirtshaus zu vergnügen, ist klar. Wenn dann noch Arbeitnehmer in den Betriebsferien zwischen Weihnachten und Neujahr abends in den beliebten Wirtshäusern essen und trinken wollen, dann ist das Freizeitangebot schnell ausverkauft.

Wie seit Jahrhunderten darf sich der Pöbel unter den Symbolen kirchlicher und weltlicher Herrschaft, dem Kreuz und dem Jagdgeweih, von den Unbillen des Alltags und der Fronlast von Steuer- und Zinszahlung bei Bier, Schweinsbein, Sauerkraut und weiteren Köstlichkeiten erholen, entspannen.

Das Gasthaus Schenkerla, welches seinen Brauerei-Ausschank seit 1405 rühmen darf, ist ebenso wie das Bamberger Rathaus oder der Bamberger Reiter eine Sehenswürdigkeit im Range des Weltkulturerbe.

Von unserer Hochzeit am 30. Mai des Jahres haben wir noch ein Geschenk, welches wir nur in der Gegend einlösen können: Bad, Sauna, Menü und Massage in Bad Staffelstein. Das Recht auf den Genuß des Menüs ist zwar schon verfallen, doch mein Körper, Haut und Haare sehnen sich ohnehin wieder nach Sauna, Wasser, Seife und Shampoo. Noch nie haben wir den Parkplatz an der Therme in Bad Staffelstein so überfüllt vorgefunden. Wir müssen unser Gefährt auf Rasen parken, weil die asphaltierte, riesige Fläche mit Wagen aus sehr vielen Regionen des Landes vollgestellt ist. Entsprechend groß ist der Andrang an der Kasse. Am Einlaß werden wir in Schüben zu fünf Personen erst eingelassen, wenn eben die Anzahl Menschen das Bad verlassen und Schränke frei gemacht hat.

Die enge Stube der Sauna ist zum Aufguß mit 60 Personen prall gefüllt. Nur wer 10 Minuten vor der vollen Stunde sich einfindet, kann sich noch zwischen zwei andere Menschen quetschen - vielleicht. Im Bad ist das Becken mit der wärmsten Sole, die mit 12 Prozent Salzgehalt den bayrischen Rekord hält, gepackt voll. Dies erinnert an Bilder von Bädern in Japan. Trotzdem - oder vielleicht gerade deshalb - ist das Bad ein beruhigendes Abenteuer, welches auch an und aufregt.

Während der Pöbel, sofern er 18 Euro für die Tageskarte zur Sauna in Staffelstein aufbringen kann, sich Haut an Haut gedrängt aufbraten lässt, herrscht im Bamberger Rathaus medinaive Andacht. Wenige Besucher betrachten die Schätze aus edlem Porzellan, welches der Fabrikant Ludwig in seiner Sammlung Bamberg als Dauerleihgabe vermacht hat.

Vor Jahren haben wir, als wir 2003 unser erstes Wohnmobil im nächtlichen Stellverbot auf dem Thermenparkplatz parkten, Strafe zahlen müssen. Den benachbarten Campingplatz meiden wir, weil keine 20 Kilometer weiter das schmucke, fränkische Fachwerk-Nest Baunach einen Stellplatz bietet. Der Platz kostet nicht mehr als einen Euro. Doch für diesen Euro liefern Steckdosen 12 Stunden lang Saft.

Am Marktplatz in Baunach, auf dem zu spät abendlicher Stunde gerade ein Fahrzeug steht, treffen wir in unserer griechischen Stammkneipe zufällig den Ex-Schwager meiner Frau, der dort mit seiner Freundin den Abend feiert. Wir schließen uns an, tauschen Neuigkeiten über den Neffen meiner Frau aus, der als IT-Praktikant im indischen Bangalore bei Siemens bis März schafft.

Nachts, ab 3.30 Uhr hat genug Schlaf meine Lebensbatterie geladen. Es ist Zeit, die Eindrücke zu ordnen, die wild durch die Gedanken reisen. Bedachtsam, behutsam - unter Vermeidung aller Störgeräusche - schieben sich meine von der Sauna etwas erleicherten 90 Kilo aus dem Bett, unter dem wir unsere Siebensachen stauen. Wenn die Tür von der Naßzelle an den gegenüberliegenden Kühlschrank anlehnt, ist das Bett gegen einfallendes Licht vom Schreib- oder Küchentisch geschützt. Meine liebe Stephanie setzt also ungestört ihre Nachtruhe fort, derweil die nahe Kirchturmuhr mir alle Viertelstunde vernehmlich mitteilt, welche Stunde mir schlägt.

Das Beste dabei ist, dass der 4000 Watt Gasofen über vier Heizungsausströmer beim Tisch sehr schnell das Thermometer von 17 Grad auf wohlige 23 Grad ansteigen lässt. Der Schlafraum hingegen hinter der geöffneten Badtür bleibt kühl.

Noch perfekter wäre es gewesen, die frühe Stunde mit einem Glas Wein zu feiern. Doch wer am Morgen fährt, sollte nüchtern bleiben. Zudem stört der Lärm, eine Flasche zu entkorken, den nächtlichen Frieden meiner lieben Frau. Die Nacht ist auch nüchtern schön und still. Ein erster Zug fährt hupend in den nahen Bahnhof Baunach ein. Sonst lässt sich nur der gleichmäßige Atmen meiner Frau wie das eintönige Surren des Heizungslüfters vernehmen. Wir freuen uns über die Gute Nacht und auf einen schönen, neuen Urlaubstag in Franken.

27 Dezember 2011

Freunde in Franken

Meine liebe Frau fühlt sich verwurzelt in Franken: Geschwister, Freunde und nun auch ein Baby, welches auch von ihrer Lebenslinie stammt. Glücklich zusammen, schmilzt mein Panzer aus Provokation in mehr Nähe und Wärme - ein schönes Gefühl.





Meine liebe Frau Stephanie hält dies Baby, wozu sie sich tief im Herzen und den Genen verbunden fühlt.

Der Weg geht weiter, immer weiter. Die Ferienwohnung, die für mehr als fünf Wochen unser Heim war, haben wir mittags hinter uns gelassen. Der Hausrat, die Futterkiste, die Kleidung sind vom Marktauto in den "Weißen Wal" umgeladen, der uns dann wieder wie in einer Ein-Zimmer-Wohnung auf Rädern leben lässt. Mima hat viele, viele Freunde in Bamberg, die zu besuchen uns kaum genügend Zeit mehr bleibt. Doch wohin Stephanie-Mima auch immer kommt, sie ist wohl gelitten. Die Menschen zeigen gerne ihre Welt, erzählen, zeigen Bilder oder Filme am Computer. Urlaubserinnerungen wie vom Canal Midi scheinen auf, der wunderbare Kanal in Südfrankreich, als die Platanen am Ufer noch eine Wasserstraße unter dem Blätterdach der Bäume bildeten. Die Platanen sind mittlerweile gefällt, 40.000 Stück, die dort standen seit mehr als 300 Jahren, vom Pilz befallen gefällt.

Bevor mich die Spiegelung der äußeren Welt traurige Sätze schreiben lässt, schwingen wir in den nassgrauen Dezembertag, den zweiten Weihnachtstag mit der Ruhe, der Kraft, dem Stolz, die schwere Zeit des Weihnachtsmarktes erfolgreich abgeschlossen zu haben. Das Gefühl, nach mehr als 30 Tagen mit einer Woche Aufbauzeit bald, auch diesen Markt wieder kämpfend mit allen äußeren Unbillen bewältigt zu haben, diese Ruhe nach dem Kampf ist einfach beglückend.



Wie Innen so Außen: Die äußere Welt spiegelt sich Inneren.

Mit einer familiären Feier schließen wir unsere Zeit in Bamberg, die Geschwister treffen sich, soweit sie sich zugehörig fühlen, Mima hält das Baby auf dem Arm, welches ihr so nahe steht, vorsichtige Gespräche knüpfen sich an, um die politisch-soziologische Verortung auszuloten. Der Islam ist ein Thema an unserem christlichen Weihnachtstisch, ein Islam, der wie in der Türkei es Christen schwer macht, sich sonntäglich zum Gebet zu finden.

Der Bamberger Kirchen- und Klerikal-Kritiker Karlheinz Deschner hat in seiner "Kriminalgeschichte des Christentums" aufs Schärfste beschrieben und bewiesen, dass diese Sekte, die sich jetzt als Christen im Islamischen Dunstkreis so schwer behaupten, dass diese Sekte der Christen ein brudermörderisches Pack über Jahrhunderte gewütet hat, bis ausgeblutet in scheinbarem Frieden verschiedene Sekten der Christen ihre Claims als Evangelische, Katholische, Calvinistische oder sonstig Bekehrte abgesteckt hatten.

Teilen die Großpopen der Sekten sogenannter Gottesfürchtigen dann noch ihre "Heiligen Stühle" in vollkommen verschiedene Bibeloffenbarungen, dann ist das Tischtuch aller Abendmahlfeiern zerschnitten. Beseligte Bibel-Bekehrte brechen mordbrennend in sogenannte Gotteshäuser der Mitbewerber allein-seligmachender Heilsbotschaften ein, um Ungläubige anderer Götzen zu erschlagen. Wenn erst überlebende Fromme das Blut ihrer Brüder und Schwestern aus verbrannten Heiligtümern wischen, dann brennt da der Zorn der Rache im Namen Gottes zu metzeln und zu morden.

Je größer die Opfer, umso höher die Rache zur Mordlust. Gesetze von Ursache und Wirkung archaischer Blutrache tilgen Verlust von Land und Leben mit mehr Blut und Landnahme bis zur völligen Erschöpfung einer Kriegspartei oder eben aller.

Weiteres ist in jeder besseren Tageszeitung täglich zu lesen.

Wie im kakophonischen Krimi der mafiösen miesen Mittelmäßigkeit des Bildungsbürgertums rauschen die Fakten an mir vorbei, durch mich hindurch, verknüpfen sich mit edlem Wein zum Tanz von Buchstaben, die mich selbst kaum mehr interessieren, wenn sie sich aus mir gedrückt haben wie Eiter aus pubertierenden Pennälerpickeln.



Meine staatsbürgerliche Verpflichtung ist mit meinem Beitrag im SPON-Forum wie diesem Blog für heute erfüllt - wenn nicht für länger.

Und wieder Zuflucht im Zynismus nach dem Motto: Egal: Wie haben wir gelacht - trotz alledem, odrrr? Was sonst?

Als Alt68iger, mittlerweile so noch halbwegs rüstiger Rentner, bleibt mir die Zeit zum Schreiben als Mut-Bürger. Als Studenten haben wir antiautorität den "Muff von 1000Jahren unter den Talaren" ebenso verspottet, wie die Reaktion, die den "Alten Kaiser Wilhelm wieder haben wollte". Von denen, die der Braunen Bananenrepublik, Kränze flechten und niederlegen, mal ganz schweigend schamvoll schüttelnd nichts mehr geschrieben.

Nun hat sich die Gesamtvölkische Sehnsucht nach Autoritäten in Kommerz und Kultur, Wissenschaft und weiterem Widerlichen Wrestling ja mit Gestalten wie denen von und zu in Amt, Armani-Anzug und Würden, diese Sehnsucht hat sich mit den Gazetten, den TV-Soaps ja bis ins Unerträgliche - für sensible Alt68iger - ausgeweitet. Dass die "Führer-Figuren" wieder hochgeschrieben werden zu Konjunktur und Klasse, das ganze üble Irresein sich weiter und weiter verbreitet und nur noch mit blutigen Aufständen gegen mörderische Diktatoren wie in der Arabellion oder in Putinskischem Moskau bekämpft werden kann, das und mehr sieht in meinem Ohrensessel am Ofen aus wie eine alte Bestätigung unserer jugendlichen Ideale mit dem furchtbaren Aufdämmern von noch schrecklicheren Zeiten, beginnend mit dem Großmanöver in der Straße von Hormus.....

Egal: Wie haben wir gelacht - trotz alledem, odrrr? Was sonst?


16 Dezember 2011

Endspurt Weihnachtsmarkt

Sturmtief Joachim fegt mit Orkanböen über das Land. Der Sturm weht Gefühle von verlorener Verlassenheit in meinen einsamen Platz in der Markthütte. Ein Mitarbeiter vom Gewerbeaufsichtsamt kommt und sagt: "Sie müssen heute nicht auflassen. Sie können schließen, wenn Sie das für richtig halten."

Ruhe vor dem Sturm - doch Mimas Husten zieht schon auf.

Mima, meine Marktfrau, ist krank. Wie zumeist in der letzten Marktwoche ist sie einfach vollkommen leer gebrannt. Sie hustet schon seit Tagen. Sie kann nervlich den Streß nicht mehr aushalten. Sie reagiert vollkommen gereizt. Sie kann die vorbeieilenden Kunden nicht mehr erreichen, meint sie. Die Mißstimmung greift ihren Körper an. Bellender Husten unterbricht unsere Nachtruhe. Also muss sie heute das Bett hüten.

Sie überträgt mir die Aufgabe erstmalig, ihre Markthütte zu öffnen. Mit einem Sack sorgender Ermahnungen schickt sie mich in den stürmischen Regen. Die Benachrichtigung vom Gewerbeaufsichtsamt-Mitarbeiter, schließen zu dürfen, erscheint mir als Lichtblick im stürmischen Tag. Dennoch beginnt der Morgen damit, dass sich zwei Menschen die Lichthäuschen kaufen. Diese Stammkunden vervollständigen mit ihrem Einkauf ihre Sammlung, die mit den Jahren wächst. Zäh verrinnen mir die Stunden in der zugigen Markthütte. Wie verloren ruhen sich meine vom Stehen schweren Beine auf einer kleinen Holzkiste hockend beim Katalytofen aus. Mein Handy verschafft mir angenehme Abwechselung mit der Internet-Flatrate.

Wegen der stürmischen Schauer bleiben zwei Frontklappen der Hütte geschlossen. So sehen die Kunde kaum etwas von der Ware. Dennoch kaufen einige Kerzen, Räucherkegel, Windlichter und Lichthäuschen. Es gelingt mir in der Zeit von 8.30 bis 15.30, Mimas kleine Zauberhütte geöffnet zu halten. Diese sieben Arbeitsstunden wären erst ihr halber Tag. Wenn sie arbeitet, arbeitet sie länger und härter. Bis sie abends endlich heim kommt, wurde es meist 20.30 Uhr. Das ist eine 12-Stunden-Schicht, viel zu viel auf die Dauer.

Bei besserem Wetter strömen die Menschen zu Mimas Markthütte - hoffentlich.

Als wieder eine böse Böe in die Hütte peitscht, dass die kostbaren Lichthäuschen auf den hohen Regalbrettern gegeneinander klirren, gilt für mich das Angebot des Gewerbeaufsichtsamts: Feierabend! Der Nachbar mit den Süßwaren klopft noch an die Holzläden und fragt: "Und die Kunden?" Anderntags erzählen sie, dass sie noch fünf Stunden länger dem Sturm widerstanden und verkauft haben.

Daheim gruselt es warm und wohlig, die Bilder von verschneiten Straßen zu betrachten, auf denen sich Fahrzeuge meilenweit stauen. Viele dieser vom Weihnachtstress gestörten und belasteten Fahrten enden auf dem Schrottplatz - oder schlimmer für die Menschen im Krankenhaus. Immerhin stehen unsere Autos nicht unter ausladenden, alten Bäumen. Die Fahrzeuge parken sicher am Straßenrand, wo Hecken die Vorgärten begrenzen. Mein Heimweg durch das wunderbare, erholsame Bamberger Heingebiet an der Regnitz ist gesperrt. Schilder und Sperren warnen: "Betreten verboten! Lebensgefahr! Orkanböen" Doch meine Müdigkeit mit dem Wunsch schnell heim zu kommen ist größer als meine Furcht, von herabstürzenden Ästen erschlagen zu werden. Eine turmhohe Pappel schwankt bedrohlich und böse. Der Wind braust auf und lässt mich rennen. Nichts passiert.

Unser Leben ist wunderbar, aufregend, schrecklich, schön, schaurig, naß, windig und kalt. Immerhin darf mein Körper in der Sauna auftanken. Daheim schnauft meine liebe Frau über einem Kamille-Dampftopf am Küchentisch unter einem Handtuch. Fürsorglich kämpft Sie ihre Atemwege frei von Husten und Schleim.

Die Zeit verrinnt: Nur noch sieben Markttage. "Keiner mehr doppelt", pflegte Mutter den verrinnenden Urlaubstagen nachzusinnen, wenn in der letzten Ferienwoche uns wieder die schnell nahenden Alltagspflichten drohten. "Keiner mehr doppelt" ist beim Weihnachtsmarkt Grund zum Jubeln - Ende der Fron, Ende der Einkünfte.

Wenn meine Marktfrau gesund ist, dann macht Sie mir als Marktgehilfe die Arbeit erträglich. Sicher hätte mein vorsorglich besserer und höherer Einsatz es meiner Frau erleichtert, gesund zu bleiben. Dafür ist mein doppelter Arbeitseinsatz aber unvermeidbar, damit sie wieder gesund wird. Denn ohne sie die Krippe abzubauen, Schlitten, Vogelhäuschen und die ersten Waren ins Garagenlager zu schaffen, das kann bislang nur meine Frau.

Nur noch drei Tage: Schon beginnt sie, all ihr liebenswertes Tausenderlei in Kisten, Kasten zu verstauen. Die handgearbeiteten, reich verzierten Lichthäuschen aus gebranntem Ton dürfen keinen Schaden nehmen. Licht zeigt sich für mich wie am Ende des Tunnels. Meine Frau meint nur: "Andere stehen doch das ganze Jahr über auf dem Markt. Was stellst Du Dich denn so an?"

10 Dezember 2011

Marktmond zur Weihnachtzeit

Erstmal seit Beginn meiner Erinnerung erscheint mir diese Vorweihnachtszeit als Fest. Meiner Schreibtischfron der letzten 20 Jahre, acht Monate und 12 Tage entledigt gibt mir meine geliebte Frau Aufgaben vor, welche zu erledigen mich nicht mehr belastet, als es mir unangenehm wäre.


Bamberger Rathaus mit Brücken über die Regnitz

 Nach wenigen Stunden Nachtruhe eröffnet meine kleine Frau ihre Markthütte zum dritten Advent. Schon ist mit 16 Markttagen die Halbzeit überschritten, weiteren 14 Markttagen wünschen wir einen glücklichen Verlauf. Das Wetter hat erst einmal die Autoscheiben mit Eis überzogen. Der November hat sowenig Regen gebracht wie noch niemals ein November zuvor. Wieder einer dieser seltsamen Rekorde, welche uns schaudernd daran erinnern, dass etwas nicht stimmt mit uns in unserer Zeit.

Bamberger Rathaus als Lichthäuschen


Bamberg, diese zauberhafte Stadt mit mittelalterlichem Flair, besuchen Hunderte, wenn nicht Tausende Touristen in der Vorweihnachtszeit. Nahezu ununterbrochen ziehen die Fremdenführer in barocken Gewändern Scharen von Touristen hinter sich her. Mit beredten Ausführungen steht die Geschichte der Stadt auf, welche wie in so vielen klerikalen Machtzentren auf Blut gebaut steht. Magnetische Macht-Markt-Zentren ziehen aus allen Erdteilen Menschen an. Es wuseln kleine Chinesen, Japaner, Asiaten an unserer Weihnachtsmarkthütte vorüber. Schwere Soldaten, manchmal auch Schwarze, die in Bamberg für die US-Armee auf ihren Einsatz im Irak oder sonstwo trainieren, kommen manchmal mit Frauen und Kindern. Gelegentlich kaufen sie sogar eines der wertvolleren Stücke aus dem Angebot, welches von Kerzen zu 25 Cent bis zum Bamberger Alten Rathaus aus Ton gebrannt reicht. Manches Stück in liebevoller Handwerkskunst bis zu 119 Euro tritt sorgsam verpackt die Reise nach Übersee an. So freut sich eine besorgte Soldatenmutter wie aus Ohio über den erfolgreichen Sohn in der Fremde, in Good Old Germany. Franzosen, Spanier, Italiener - eine bunte Mischung aus Menschen schiebt sich an der Hütte vorbei. Kinder staunen mit offenen Augen über Blechspielzeug, den hüpfenden Frosch, die rennende Ente, die pickende Henne, die bunten Kreisel, Autos, Lokomotiven, Boote, sogar ein Luftschiff sowie eine Rakete alles aus Blech - meist made in China.

Weihnachtsmarkt am dritten Advent

In bedrückenden Stunden erscheint es mir, als würe ein Nichts ins Leere verschoben. Doch die fröhlichen Menschen, welche mit ihrer Beute vom Marktstand ziehen, erinnern schnell daran, dass sich diese Nichtigkeiten mit ihren Lieben verbinden, Freude bringen, Lachen und Staunen. Die Energiebilanz der Kerzen aus Bienenwachs, der Knetkerzen, die wie Blüten in verschieden Farben und Formen locken, die Energiebilanz dieser Geschöpfe aus liebenden Händen ist vergleichsweise wenig schädlich. Die Wertschöpfungskette ist lang und geduldig, der Gewinn bescheiden. Die Ware tauscht sich zu Geld in freudigem Einvernehmen. Zumeist zieht der Kunde eben so beglückt von dannen, wie das Geld in den Plastikfächern der Kasse klimpert. Kommt einmal ein großer Schein wie von 50 Euro herein, so prüft ein spezieller Filzstift, ob das Papier auch echt ist.

Mimas Blütenkerzen
Niemand kommt klauen. Betrug gibt es nicht in dem Geschäft meiner kleiner Marktfrau, die ihre Stammkunden seit mehr als zwei Jahrzehnten bedient. Seit 15 Jahren hat sie mich mitgenommen auf ihre kleine Weihnachtsmarktreise. Nun, selbst schon aus meinem Job, hat sie mich als Gehilfen engagiert. Die Jahre zuvor verschaffte ihr eine Studentin während der Mittagszeit ein wenig Muße zu sitzen, zu essen, zu ruhen. Mit mir als Hilfskraft ist sie auch zufrieden. Mich macht die kleine Welt des Weihnachtsmarktes glücklich. Die Gedanken richten sich auf das Nächste, den Kunden. Geschickt übende Finger führen kleine Spielzeuge vor, Witzchen sollen zum Kauf animieren. Niemand ist böse oder traurig, wenn er sich zu einem Kauf entschlossen hat. Kommt ein Großmütterchen mit einer Beschwerde zurück, so tauschen wir lachend die Ware. Es bleibt keine böse Stimmung zurück. Junge Damen kommen mit Freunden. Sie schwärmen nahezu, dass sie an dieser Hütte vor Jahren schon einen Kreisel geschenkt bekamen, der drehend bunt schillerte. Lange graben meine Gedanken nach dem Namen für das Spielgerät: "Mindspinner". Aus der Ferienwohnung rollt mich das alte Fahrrad in knapp zehn Minuten über die untere Rathausbrücke, die Regnitz, zum Marktplatz. Meine Frau freut sich über meine Ablösung. Ihre Pause ist niemals zu lange, dass es mir allzu schwer wird. In regnerisch grauen Zeiten reicht ihre Pause gerade so lange, dass mir Zeit bleibt, den Mantelteil der Süddeutschen Zeitung zu studieren. Der Wirtschaftsteil, die Nachrichten zur wirtschaftlichen Lage verwirren wie ein globaler Krimi meine Gedanken. Mehr oder weniger verkaufte Kerzen zur Weihnachtszeit verbessern das Klima in häuslichem Frieden. Das Klima global, international ist mein Thema nicht.
Friede den Hütten, Kampf den Palästen.


Villa Concordia an der Pegnitz

Doch kommen aus Palästen Menschen zu unseren Hütten, so bedient sie eine kompetente Mannschaft, hilfreich, edel und gut. Mit etwas pathetischem Wortgeklingel lässt steht man einfach besser in Stunden dunkler Näasse und Kälte,